Es ist ganz fantastisch, welche Verwandlung der Block „G1“ bei einem Heimspiel unserer Roten bisweilen erfährt: Herrschte gegen den MSV Duisburg noch ein latent aggressiver Grundton zwischen den Sitzreihen, übernahm vergangenen Sonntag die lärmige Fröhlichkeit hunderter Nachwuchskicker nebst stolzer Eltern das Regiment im Block. Hoffentlich hatte das Sondereinsatzkommando Aufkleber am Blockeingang wenigstens diesmal ein Einsehen in Anbetracht der vielen jungen Fans und verzichtete auf spektakuläre Fahndungserfolge. Das ganze Potential neuer Fangenerationen so geballt zu erleben hat nicht nur richtig Freude bereitet, sondern auch für Schmunzler gesorgt. Manchmal war der Fanschal doch noch viel zu lang und gelegentlich auch Vatterns Fischerhut wohl noch zu groß.

Die Teilnehmer des RWE-Ostercamps bekamen im Spiel gegen die Schanzer die Gelegenheit, die dazugehörige Eintrittskarte einzulösen und nahmen das in entsprechend großer Zahl wahr. Und sie kamen fast alle in den Farben unseres Vereins: Trugen Trikots, Schals, Kopfbedeckungen oder gleich die komplette Fußballer-Montur inklusive Stutzen und Ball. Auch waren Insignien anderer Essener Vereine zu sehen. In diesem Falle sogar gerne! In den Spielerpässen getrennt, in RWE vereint. Und wie da bisweilen nach den Toren gejubelt, oder auf das Geländer gehüpft wurde, um die Schals zu schwingen: Die Westtribüne kann sich schon mal auf motivierten Nachwuchs freuen. Meinetwegen kann ruhig jedes Heimspiel in G1 zu einem „Ostercamp-Spiel“ werden. Eine bessere Werbung für künftige Stadiongenerationen kann es gar nicht geben.

Und wenn unsere Mannschaft dann auch noch einen solchen Sahnetag wie gegen unlustige Holzhackerbuam erwischt: Besser geht manchmal einfach nicht. Man kann das mittlerweile ja auch schwer begreifen, wie unsere Mannschaft, egal in welcher Konstellation auf dem Platz stehend, den eigenen Stiefel runterspielt. Das Verhalten der Schanzer im Spielverlauf eher eine Blaupause für Play-Off Spiele im Eishockey, wo eine Mannschaft schnell merkt, dass hier und heute einfach nichts geht. Und so wurde schnell in den Modus der Hanson-Brothers aus dem Kultfilm „Schlappschuss“ geschaltet. Oder in den der Crazy Gang des AFC Wimbledon rund um Vinnie Jones, um wieder den Schlenk zurück zum Fußball zu finden.

Man muss sich das einfach mal vorstellen: Minutenlang die Pässe der eigenen Spieler untereinander lautstark zu begleiten, ohne das ein gegnerischer Spieler überhaupt an den Ball kommt….ich meine: Wann gab es das zuletzt? Alles was wir gerade erleben ist nichts anderes als eine Liebeserklärung: Die unserer Mannschaft an sich selbst und den Fußball. Und von uns an eben diese Mannschaft und somit auch an den Verein. Und es spielt auch gar keine Rolle mehr, aufzudröseln, wann und wo vielleicht der ein oder andere Punkt unnötig liegen gelassen wurde. Es ist komplett egal. Weil es nicht mehr zu ändern ist! Und weil es einfach auch fantastisch ist, wie es jetzt gerade ist. Weil es ein Rot-Weiss Essen Ding ist.

Es ist doch so: Wie da die SV Elversberg vergangene und nun der SSV Ulm in dieser Saison durch unsere Liga gefegt sind, das ist ganz großes Kino und nötigt komplett Respekt ab. Und sportlich fair kann man auch der dicken Taube aus Münster nur attestieren, im Laufe der Saison durch tollen Fußball eine dermaßen breite Brust bekommen zu haben, so dass man eigentlich kaum mehr durch eine Tür passen dürfte. Der Jahn und die Dynamos erfüllen mehr und weniger die Erwartungen, stehen einerseits noch auf einem direkten Aufstiegsplatz und müssen andererseits wohl eher einen neuen Anfang in der kommenden Saison starten. Die Saarbrücker schwimmen zwar im Pokalgeld, aber bekommen in der Liga nichts mehr gebacken. Respekt könnte man sich nach der Rasenposse aber wenigstens durch eine couragierte Leistung am Wochenende in Münster verdienen.

Aber unser Weg war doch schon immer ein wenig spezieller und dorniger. Und grundsätzlich waren wir doch schon mit der Saison als eine wunderbar entspannte, über den Erwartungen liegende, völlig zufrieden. Doch da haben wir diesmal die Rechnung nicht nur ohne den Wirt, sondern auch ohne unsere Mannschaft gemacht. Denn die wollen aufsteigen. Nicht nur bleiben. Und einige Spieler wollen wohl auch aufsteigen, gerade weil sie bleiben wollen. Und andere, die vielleicht nicht bleiben können, die wollen aufsteigen, um sich so im Schaufenster des Erfolges für andere Vereine zu präsentieren. Und so werden wir nun von einer ganzen Mannschaft auf einen wilden Ritt durch die letzten drei Saisonspiele genommen, an dessen Ende der Aufstieg in die zweite Bundesliga stehen könnte. Stehen kann. Stehen wird.

Der Jahn wackelt und in Münster wird Wiedenbrück eine Rolle spielen. Unterschwellig natürlich, aber nochmal wird so ein Husarenstreich wie bei Tante Vikki nicht gelingen. Nicht mal davon hat sich unsere Mannschaft beeindrucken lassen. Kommendes Wochenende nun dürfen wir endlich mal wieder vorlegen. Auswärts in Sandhausen, wo die Heimmannschaft zur Zeit ein ähnlich schlechtes Kollektiv abgibt, wie die Althauer aus Ingolstadt. Da die drei Punkte mitnehmen und schauen, was die Konkurrenz macht. Und dann geht es im letzten Heimspiel der Saison gegen die Münchner Löwen vielleicht immer noch um was. Freitagabend unter Flutlicht vor prall gefüllten Heimtribünen und gut gefülltem Gästeblock. Da gibt es einfach keine andere Möglichkeit mehr, als unserer Mannschaft über neunzig Minuten lang lautstark zu huldigen. Danach folgt als finaler Schlussakt das Auswärtsspiel beim schon abgestiegenen VfB Lübeck. Und aufgrund unserer DNA könnte dort vielleicht erst in der sechsten Minute der Nachspielzeit feststehen, ob wir direkt aufsteigen, in die Relegation gehen oder einen hervorragenden vierten oder fünften Platz belegen. Und wohl auch erst danach wird sich der Kader für die kommende Saison abzeichnen.

Es werden also richtig aufregende (Spiel-)Tage des Donners, die unser RWE noch für uns bereithalten wird. Bauchgefühl aktuell sagt: Aufstieg! Und der Bauch ist gewichtig.

https://imschattendertribuene.com/2024/04/29/tage-des-donners/