Am Ende war es irgendwas zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt, dem berühmten Zitat von Bill Shankly oder auch manch mahnender Stimmen, das es am Ende des Tages einfach nur ein Spiel ist. Minimum aber eine Leidenschaft, die bisweilen unverhofft Leiden schafft. Am gestrigen Samstag rund um die Spiele des 36. Spieltags war es wohl eine gemischte Tüte von allem zu viel. Und vielleicht waren die vielen mitgereisten Roten im Stadion zu einer weitaus realistischeren Beurteilung des Spiels unserer Mannschaft in Sandhausen fähig, als vielleicht mach Fan daheim an den verschiedenen Endgeräten, was sich im Stadion in einer respektvollen und aufmunternden Verabschiedung der Mannschaft nach dem Spiel zeigte, während an der Tastatur schon mal der Hammer kreiste. Wir kennen das.

Es war für uns daheimgebliebene aber auch nicht ganz einfach, das vielleicht zur Ehrenrettung! Die sicher vielfach angeschaute Magenta-Konferenz ließ uns speziell mit Abpfiff in Freiburg auf Wolke 1907 durch die Räumlichkeiten schweben. Für einen Moment der Dankbarkeit waren wir alle Breisgauer Jungs. Alle anderen Ergebnisse wurden eher beiläufig hingenommen, selbst der Aufstieg der Ulmer Türsteher-Szene somit erstmal Nebensache. Aber das Dingen da im Dreisamstadion, der schwächelnde Turnvater, ja das war doch genau der Moment, auf den wir gewartet haben. Genau das Blatt, welches der Fußballgott für uns im Poker um die ersten drei Plätze aufdecken sollte.

Im Stadion selbst kannte man natürlich die Ergebnisse, aber sie waren nicht so plakativ sichtbar. Allein daheim aber war für den Moment klar: Jetzt sind wir dran. Dachte ich jetzt zumindest auch und habe komplett vergessen, das unser Spiel gegen die Kellergeister ja erst noch stattfindet, so sicher war der Sieg schon eingetütet. Und überhaupt: Was sollte auch schon groß passieren, in Anbetracht der kollektiven Euphorie, auf der wir seit Spieltagen durch die Liga reiten? Aber schnell wurde klar, und dafür sind wir alle lange genug dem Fußball verfallen: Das Spiel passiert erst noch. Und es passierte nicht zu unseren Gunsten. Personalrochade und Straftraining auf der einen Seite trafen auf erstaunlich unkonzentrierte und pomadig wirkende Gäste auf der anderen Seite. Letztere waren leider die Spieler in unseren Farben.

Die Passsicherheit der vergangenen Wochen war an der Hafenstraße geblieben, Kurz vor dem Halbzeitpfiff hätte es ja noch in die für uns richtige Richtung gehen können, aber der Pfosten hatte was dagegen. „Die werden doch wohl nicht….“ Gedanken an schlimme Abende in Ahlen kamen spontan hoch. Und sie bestätigten sich: Die Geschichte der zweiten Halbzeit somit kurz erzählt: Verletzungspech und Gegentore. Jeweils zweimal. Rot-Weiss Essen war einfach auf dem Feld indisponiert. Ein Spiel, wie es im Verlaufe einer langen Saison immer mal vorkommen kann und auch vorkommt. In diesem, unserem speziellen Falle kam es aber zur Unzeit. Zur Unzeit in Hinblick auf optionale Aufstiegshoffnungen.

Die Steilvorlage aus Freiburg blieb also ungenutzt. Und ganz vielleicht ist das sogar gut so. Auch wenn es sich gerade nicht wirklich so anfühlt, dafür wurde zu viel der Euphorie geschürt. Auch hier! Aber gerade deshalb ist es umso wichtiger zu betonen, dass es trotz der wirklich schlechten Leistung in Sandhausen eine ganz wunderbare Saison ist, die unsere Mannschaft da gerade spielt. Und genau das wurde dankenswerterweise im Stadion auch so gesehen und honoriert. Trotz aller vorhandener Enttäuschung. Hier allein daheim fiel es mir hingegen viel schwerer, habe ich das auch gar nicht verstanden, wie auf das Spiel in Freiburg eine so schlechte eigene Leistung folgen kann. Diese direkte Verknüpfung war dann doch eher suboptimal. Es kann natürlich nicht jede Mannschaft den Leverkusener Weg gehen. Wir wissen nun immer noch nicht, wohin unser Weg uns letztendlich führen wird. Und im Grunde genommen ist rein rechnerisch ja immer noch alles drin. Ja gut, ist es sogar beim MSV auch noch. Ich glaube, es war gar nicht so sehr die Niederlage als solche, sondern eher das Gefühl, aus einem wunderbaren Traum gerissen worden zu sein.

Dieser Traum, an dessen Ende nicht zwingend ein Aufstieg stehen muss, um ein guter zu sein, der sich aber trotzdem komplett cool angefühlt hat. Warum aber hat unsere Mannschaft nun einen solch schlechten Auftritt hingelegt? Vor allem nach der Leistung gegen die Schanzer und vieler euphorischer Statements der Spieler selbst. Es wird darauf keine Antwort geben.

Aber vielleicht wäre ein Ansatz im Fußball allgemein der, es grundsätzlich irgendwie hinzubekommen, die Vertragssituationen der Spieler in einem anderen Zyklus zu fixieren, als gegen Saisonende, wenn doch ausschließlich sportliche Gründe des Vereins im Vordergrund stehen sollten. Im Mai stehen nunmal die wichtigsten Entscheidungen in Liga und Pokal an, aber viele Spieler kennen leider die eigene sportliche Zukunft noch nicht. Gespräche werden eventuell wichtiger als Trainingseinheiten. Berater bauen Luftschlösser, andere Vereine machen einen möglicherweise wuschig. Andere Spieler wiederum wissen, sich neu orientieren zu müssen, und sind enttäuscht. Oder wollen weg, da frustriert. Parallel werden neue Spieler verpflichtet. Ausgerechnet auf Deiner Position. Und alles findet im Hintergrund statt.

Ich möchte nun betonen, dass solche Szenarien sicher nicht der Grund für die verdiente Niederlage am Hardtwald waren, aber trotzdem eine Mannschaft belasten. Gerade am Ende der Saison, wo es doch um so viel gehen kann. Müsste man das nicht anders gestalten können, oder denke ich da zu naiv? Aber wie um Himmels Willen soll man sich denn so zu einhundert Prozent rein auf die sportliche Leistung konzentrieren können, wenn sich zu dem aktuellen Arbeitgeber auf der einen Schulter das kleine Teufelchen „nächster Vertrag“ auf der andern Schulter gesellt? Ich würde da grundsätzlich bevorzugen, dass Verträge immer in der Winterpause auslaufen, beziehungsweise neu verhandelt werden. Dann hätte man zu Beginn der Rückrunde Klarheit und kann die Saison komplett ohne störende Nebengeräusche zu Ende spielen. Ja gut, und wie soll man dann als Verein selbst neue Spieler verpflichten? Also eine Theorie, die nicht wirklich zu Ende gedacht ist. Ich wollte nur mal meine Bauchschmerzen teilen.

Eine Konsequenz in eigener Sache wird es aber schon heute geben: Das Spiel von Preußen Münster gegen den 1.FC Saarbrücken wird nicht mehr mit den Emotionen verfolgt, wie gestern unser „Vorspiel“ in Freiburg oder viele vergleichbare Spiele in den Wochen zuvor. Ab sofort reicht das Endergebnis der noch für unsere Tabellensituation relevanten Spiele. Nun aber endlich zu einer anderen wichtigen Sache: Herzlichen Glückwunsch dem SSV Ulm zum Aufstieg in die zweite Bundesliga.

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